Bei Rekord-Meister Fritz Neuser auch mit 80 Jahren keine Spur von Ruhestand
Nürnberg – Fritz Neuser – in den 1950-er-Jahren einer der erfolgreichsten deutschen Radsportler – feierte am 14. April seinen 80. Geburtstag. Als bisher siegreichster Fahrer des RC Herpersdorf erkämpfte er einst zwölf deutsche und achtzehn bayerische Meister-Titel, insgesamt feierte er 337 Siege auf Bahn und Straße!
Zum Radsport fand Fritz Neuser als Jugendlicher „auf Umwegen“, wie er oft schmunzelnd erzählt: „ Ein eigenes Fahrrad zu besitzen war in den Nachkriegsjahren mein größter Traum. Doch dafür hatte meine Mutter, als Kriegerwitwe überhaupt kein Geld“. Beim RC Herpersdorf dessen erfolgreiche Rennfahrer Fritz Neuser damals bewunderte, hatte man jedoch ein Herz für den 15-jährigen Radiotechniker-Lehrling. Fritz Neuser bekam einen „Leihrahmen“ des Vereins. Die fehlenden Teile „schnorrte„ er sich bei den Vereinskameraden zusammen und bald saß er stolz im Sattel seiner ersten Rennmaschine. Bis heute unvergessen bleibt ihn sein erstes Rennen, das er in Bamberg fuhr. Völlig ohne Taktik und Technik riskierte er vom Start weg alles – und lag schnell auf der Straße. „Ich rappelte mich wieder auf und holte das Feld auch wieder ein, doch es war nur noch der neunte Platz drin“, erzählt Fritz Neuser. Als Preis erhielt er dafür zwei Sammeltassen. Geldprämien gab es in den kargen Nachkriegsjahren noch lange nicht. Stolz brachte Fritz Neuser die Sammeltassen mit nachhause. „Danach war auch meine Mutter, die zunächst sehr skeptisch war, vom Radsport begeistert“, erzählt er lachend.
Beim RC Herpersdorf konnte man in den folgenden Wochen nur noch staunen, mit welchem Ehrgeiz und Elan der Neuling erste Siege erkämpfte. In seinem zweiten Rennjahr, war Fritz Neuser 1948 in Bayern kaum noch zu schlagen. Bei den Jugend-DM im Sprint und im Straßenrennen erkämpfte er jeweils den Vierten Platz! Noch erfolgreicher war der junge Senkrechtstarter zwei Jahre später in der Amateurklasse. Auf Bahn und Straße zählte der perfekte Allrounder auf Anhieb zur Nationalmannschaft und gewann mit 18 Jahren seinen ersten Deutschen Meistertitel. In der Einerverfolgung, mit dem Bahn-Vierer, dem Straßen-Sechser des RC Herpersdorf und auf dem Tandem erkämpfte Fritz Neuser in den folgenden Jahren elf weitere DM-Titel! Ebenso erfolgreich war er auch bei den schweren „Straßenklassikern“, die er in Serie gewann. Auf die Frage nach seinem damaligen Erfolgsgeheimnis antwortet Fritz Neuser: „ Ich hatte sehr viel der Förderung des Sportleiters Andreas Egerer zu verdanken und dem Herpersdorfer Altmeister Karl Kittsteiner, der mich als strenger Lehrmeister unter seine Fittiche nahm. Unsere stundenlangen Trainingsfahrten, oft bei Kälte und Regen und Schnee, vergesse ich nie. Karl kannte da kein Erbarmen: „Das Training muss härter sein als alle Rennen, wenn es etwas bringen soll“, lautete die Devise des Profimeisters.
1956 war Fritz Neuser der große Pechvogel der olympischen Spiele in Melbourne
Trotz seiner vielen Siege und Titel hatte Fritz Neuser in seiner Glanzzeit noch ein letztes großes Ziel. Eine olympische Medaille wäre die absolute Krönung seiner außergewöhnlichen Karriere gewesen. Mit dem deutschen Sprintermeister Günter Ziegler (Schweinfurt) als Partner schaffte er 1956 nach harten Auswahlrennen gegen die DDR-Asse die Nominierung in die „gesamtdeutsche Mannschaft“ zu den Spielen im australischen Melbourne. Doch der großen Freude darüber folgte die bitterste Enttäuschung seiner Karriere. Statt einer Medaille, die greifbar nahe war, endete das olympische Turnier für die beiden Bayern unglücklich. Auf dem Weg zum Halbfinale war für Fritz Neuser und Günther Ziegler, die im Vorlauf selbst die späteren Olympiasieger hinter sich ließen, der Traum von einer olympischen Medaille plötzlich zu ende. Nach einem schweren Sturz, den das russische Tandem verursachte, landeten die beiden deutschen Fahrer statt auf dem Treppchen im Krankenhaus. „ Für mich war das die bitterste Stunde meiner Radsportjahre“, sagt Fritz Neuser, der ein Jahr später seine Karriere beendete und auf vier Räder umsattelte. Zunächst als Autoverkäufer, ab 1962 als Inhaber eines eigenen Autohauses. Nun wandte sich Fritz Neuser ganz den „schnellen Flitzern“ und dem Motorsport zu. Er fuhr 68 Berg- und Rundstreckenrennen – wovon er 52 gewann! Damit wurde er als renommierter Alfa-Romeo-Händler noch populärer. Von 1979 bis 2003 war Fritz Neuser einer der erfolgreichsten deutschen Ferrari-Händler. Seit 2005 hat er sich ganz auf den Handel mit erlesenen Auto-Klassikern im Ferrari-, Alfa-Romeo und Maserati-Bereich spezialisiert. An „Ruhestand“ denkt Fritz Neuser, der regelmäßig und gerne auf seinem Rad sitzt, noch lange nicht und seine sportlichen Wurzeln hat er nie vergessen. Als großzügiger Sponsor unterstützt er seit vielen Jahren den RC Herpersdorf. „ Der Verein und der Radsport haben mir so viel gegeben, da muss ich einfach auch etwas zurückgeben!“
Manfred Marr